Korrekturen Stand 11_2025
In Sachen Prüfung verändert sich in Niedersachsen grad etwas Grundsätzliches. Ausgelöst vom Einzug der KI in die Kinderzimmer stellt man sich grad die Frage, wie Prüfungen statt einer Abrechnung zum Teil einer Lernschleife werden kann.
Bis wir alternative Prüfungsformate etabliert haben, werden aber wohl noch ein paar Tage vergehen.
Und so liegen hier nun wieder drei klassische Klausurenstapel auf meinem Schreibtisch.
Kurz vorweg: Korrigieren ist die einzige Tätigkeit, in der ich in meinem Beruf immer wieder auf die Uhr schaue. Ich rechne nach drei Klausuren aus, wie lange der ganze Berg dauern wird und zerbreche innerlich ob dieser verlorenen Lebenszeit. Und während ich rechne, ist mir mittlerweile klar: Mein Widerstand entspringt nicht irgendeiner Laune oder Faulheit sondern der Logik hinter dieser Aufgabe. Gäbe mir jemand vor einer Korrektur einen Knopf, der mich nach vorne springen ließe - ich würde ihn drücken.
Die korrigierte Klausur spricht zu uns:
Nun zur Sache:
Korrektur muss im Kern drei Aufgaben erfüllen:
- Verortung der*des Schüler*in im Lernweg, in einer Sprache, die sie verstehen.
- Bewertung begründen, sodass eine Note fachlich und rechtlich trägt.
- Keine Anforderung im Sinne von 1 und 2, dennoch: Sie muss zeitökonomisch bleiben (weil wir noch andere Aufgaben haben).
In den letzten 12 Monaten habe ich nun begonnen einen veränderten Umgang damit zu entwickeln. Der Impuls entsprang vielleicht mehr einer Notwehr als der Progressionslust. Vom Vorgehen erhoffe ich mir, dass es den Betrachtungen eines Krommers, Wampflers, Nöltings standhält, denn sie lieferten die Eindrücke, die leitend waren.
Kurzanleitung
Ich beginne mit den Kompetenzen meiner Klausur: Diese definiere und notiere ich klar.
Ich erstelle Material, das nach der Klausur selbstständig weiterführt und nach den Kompetenzen gegliedert ist.
Während der Korrektur “scanne” ich die Arbeit nur: Mit Marker markiere ich die zentrale Baustelle, ein bis zwei exemplarische Abschnitte. Keine Randkommentare.
Ich diktiere parallel meine Beobachtung: Alles was auffällt, chronologisch.
Eine KI strukturiert und formt daraus einen Text, der die Leistung beschreibt und abschließend 1. den stärksten Kompetenznachweis, 2. die zentrale Baustelle und 3. den daraus folgenden Auftrag benennt. Der Prompt ist recht lang.
Parallel erstellt sie eine Übersicht aller zentralen Baustellen der Klasse nach Namen.
Ich halte einen Erwartungshorizont vor, auf dem auch Bepunktung oder Gewichtung von Teilaspekten sichtbar sind. Den gebe ich nicht direkt mit der Klausur raus, sondern nur wenn ich spüre, dass ein Bedürfnis entsteht. Denn er lenkt den Blick wieder aufs Punktezählen.
Die Schüler*innen erhalten also von mir ein Gutachten, das die Leistung knapp beschreibt, Anerkennung für geschaffte Lernschritte, eine zentrale Baustelle und Material, um direkt daran zu arbeiten.
Nun zurück zum Text
Was bewirkt das Vorgehen?
Die Korrektur schließt nicht mehr nur ab, sie lenkt den Weg in die nächste Lernschleife. Und das vor dem Hntergrund einer intensiv erlebten Leistungssituation. Die zentralen Kompetenzen sind mir präsenter, während die Randfransen in den Hintergrund treten (es sei denn eine sehr gute Klausur liegt vor mir). Das ist viel weniger anstrengend.
Die Dinge, die ich zuvor notiere - Aufgabenpaket, Kompetenzbeschreibung - sind gut ablegbar und wiederverwertbar. Die Korrektur wird mit Weitsicht auch dadurch deutlich schneller. Hinzu kommt, dass der Korrektur etwas entspringt, das sehr gezieltes, indiviuelles Lernen in der Stunde der Rückgabe ermöglicht. Hier entsteht ein Freiraum für mich, weil die Stunde dann nicht über mich läuft. Die tabellarische Übersicht der Baustellen geben mir immer wieder Einblicke. Die prägen sich wirklich gut ein und helfen in der Begleitung während des Unterrichts.
In Summe stärkt das wahrnehmbar die Beziehung. Irritation bei Eltern habe ich noch nicht erlebt.
Die Diskussion wird ja nun weitergehen und ich freue mich über jeden Schritt der den Fokus weg von den formalistischen Ansprüchen verschiebt. Neben den oben genannten Autoren hat mir natürlich auch die Beiträge von Wisniewski, besonders der Podcast zu Korrekturen, reichlich Rückenwind für diese Umstellung gegeben. Danke dafür.